Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften

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58%77%

Der Prozentsatz der Länder, die Beschäftigte vom arbeitsrechtlichen Schutz ausschließen, hat sich von 58% im Jahr 2014 auf 77% im Jahr 2023 erhöht.

Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften

Vom Arbeitsschutz ausgeschlossen: Wanderarbeitskräfte, Beschäftigte im öffentlichen Sektor, in Sonderwirtschaftszonen und der Plattformwirtschaft

Die internationalen Arbeitsnormen besagen, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterschiedslos das Recht auf Vereinigungsfreiheit haben. Im Jahr 2023 waren in 114 von 149 erfassten Ländern bestimmte Gruppen von Erwerbstätigen jedoch von diesem Recht ausgeschlossen, häufig auf der Grundlage ihres Beschäftigungsstatus.

Wanderarbeitskräfte, Hausangestellte, Leiharbeitskräfte, Beschäftigte in der informellen und der Plattformwirtschaft fielen in der Regel nicht in den Geltungsbereich des Arbeitsrechts. Ebenso wurde bestimmten Gruppen von Beschäftigten im öffentlichen Dienst das Recht auf Vereinigungsfreiheit nach wie vor verweigert. So wurde den Arbeiter*innen z.B. in den berüchtigten Sonderwirtschaftszonen häufig das Recht auf Vereinigungsfreiheit vorenthalten, da der Arbeitsschutz dort entweder reduziert ist oder überhaupt nicht gilt.

Wanderarbeitskräfte

Die arabische Region ist weltweit eine der wichtigsten Zielregionen für Wanderarbeitskräfte. Schätzungen zufolge gibt es in den Ländern des Golf-Kooperationsrates (GCC) sowie in Jordanien und Libanon 35 Millionen internationale Migrant*innen, von denen 31% Frauen sind.

Der Ausländeranteil an der erwerbstätigen Bevölkerung in den GCC-Ländern gehört mit durchschnittlich 70,4% den höchsten in der Welt und liegt in den einzelnen Ländern zwischen 56 und 93%. Viele dieser Wanderarbeitskräfte sind gering Qualifizierte in Sektoren wie dem Bau- oder Gastgewerbe oder Hausangestellte. Die meisten von ihnen kommen aus Asien, viele aber auch aus afrikanischen Ländern wie Ägypten, Äthiopien, Kenia und Uganda.

Während Katar und Saudi-Arabien einige wichtige Reformen zur Abschaffung der Kafala vorgenommen haben, stützten sich andere Länder in der Region nach wie vor stark auf dieses System der modernen Sklaverei und hielten daran fest, dass Migrant*innen, also die große Mehrheit ihrer Arbeitskräfte, vom Recht auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen ausgeschlossen sind.

Beschäftigte im öffentlichen Dienst

Bestimmten Gruppen im öffentlichen Dienst wird das Recht auf Vereinigungsfreiheit nach wie vor in einigen Ländern verweigert.

Freie Exportzonen

Auch in den berüchtigten Sonderwirtschaftszonen wird den Arbeiter*innen häufig das Recht auf Vereinigungsfreiheit vorenthalten, da der Arbeitsschutz dort entweder reduziert ist oder überhaupt nicht gilt.

Gewerkschaftsfeindlichkeit

Gewerkschaftsfeindliche Praktiken haben dazu geführt, dass mehr und mehr Beschäftigte daran gehindert wurden, Gewerkschaften zu gründen und beizutreten. Mit Gewerkschaftsfeindlichkeit sind vielfältige Arbeitgeberpraktiken gemeint, die darauf abzielen, die Funktionsweise von Gewerkschaften zu behindern und zu stören oder die Gründung von Gewerkschaften oder deren Bemühungen um Mitgliederwerbung am Arbeitsplatz zu unterbinden. Das Recht von Arbeitnehmerorganisationen auf den angemessenen Schutz vor jeglicher Einmischung der Arbeitgeber in ihre Gründung, Tätigkeit und Verwaltung ist in ILO-Übereinkommen 98 verankert. In der Praxis haben jedoch zahlreiche Arbeitgeber hinterhältige und illegale Taktiken angewandt, um die Gründung von Gewerkschaften am Arbeitsplatz zu verhindern und Gewerkschaftsaktivitäten unmöglich zu machen.

Ausschluss Beschäftigter vom arbeitsrechtlichen Schutz

Naher Osten und Nordafrika

100%

100% der Länder in Nahost/Nordafrika haben Beschäftigte vom Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften ausgeschlossen.

Unverändert gegenüber 2022

Ausschluss Beschäftigter vom arbeitsrechtlichen Schutz

Der Zugang von Palästinenser*innen zu Arbeit in Israel und den illegalen Siedlungen wird mit einem repressiven Genehmigungssystem, Sicherheitskontrollen und Checkpoints streng kontrolliert. Nur Palästinenser*innen mit einer gültigen Arbeitserlaubnis können von israelischen Unternehmen „legal“ beschäftigt werden. Von den schätzungsweise 133.000 palästinensischen Beschäftigten in Israel und den illegalen Siedlungen hatten rund 94.000 eine Arbeitserlaubnis. Die überwältigende Mehrheit (99%) der Inhaber einer Erlaubnis sind Männer, die zumeist im Baugewerbe arbeiten.

Die Genehmigungen werden für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten ausgestellt, können aber jederzeit willkürlich von den Arbeitgebern oder den israelischen Sicherheitsdiensten entzogen werden. Die Arbeitgeber haben häufig mit dem Entzug von Genehmigungen gedroht, um Beschäftigte zu disziplinieren, die Gewerkschaften beitreten, ihre Rechte einfordern oder sich in irgendeiner Form politisch engagieren.

Afrika

95%

95% der Länder in Afrika haben Beschäftigte vom Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften ausgeschlossen.

Unverändert gegenüber 2022

Ausschluss Beschäftigter vom arbeitsrechtlichen Schutz

In Burundi haben sich die Behörden geweigert, die von den Beschäftigten des informellen Sektors gegründeten Gewerkschaften zu registrieren. Nach den jüngsten Daten der ILO sind 87 Prozent der Erwerbsbevölkerung in Afrika informell beschäftigt.

Weltweit sind fast 2 Milliarden Menschen, d.h. 6 von 10 Arbeitnehmern, in der informellen Wirtschaft tätig.

Gewerkschaftsfeindlichkeit

Gesamtamerika

72%

72% der Länder des amerikanischen Kontinents haben Beschäftigte vom Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften ausgeschlossen.

Gegenüber 76% im Jahr 2022

Gewerkschaftsfeindlichkeit

In Guatemala hat das zur südkoreanischen SA-E-Gruppe gehörende Unternehmen Winners im Mai 2022 seinen Betrieb eingestellt und eine Reihe von Beschäftigten entlassen, um gewerkschaftliche Organisierung zu verhindern. Die entlassenen Beschäftigten versuchten daraufhin, eine neue Stelle zu finden, mussten aber feststellen, dass sie auf eine schwarze Liste gesetzt worden waren.

Die Winners-Geschäftsleitung setzte häufig physische und psychische Gewalt, Einschüchterung und Drohungen gegen Gewerkschaftsmitglieder ein. Der Generalsekretär der örtlichen Gewerkschaft wurde schikaniert, erhielt Morddrohungen und war gezwungen, an einen anderen Ort umzuziehen.

Gewerkschaftsfeindlichkeit

Seit dem Jahr 2016 hat Fyffes sämtliche Versuche der Gewerkschaft STAS unterdrückt, die Beschäftigten der Melonenplantagen im Süden von Honduras zu organisieren. Im November 2022 wurden José Espinal Maradiaga und Óscar Gadea Vásquez, zwei führende STAS-Mitglieder bei Melon Export SA (Melexsa), einer Tochtergesellschaft von Fyffes, willkürlich entlassen. Sie hatten den Arbeitgeber eine Woche zuvor über die Gründung der Gewerkschaft informiert. Die Beschäftigten von Melexsa hatten beschlossen, sich gewerkschaftlich zu organisieren, um unbefristete Verträge zu fordern. Einige von ihnen arbeiten seit mehr als zwei Jahrzehnten nur mit kurzfristigen Verträgen für Melexsa

In Israel haben Arbeitgeber routinemäßig mit dem Entzug der Arbeitserlaubnis gedroht, wenn palästinensische Beschäftigte eine Gewerkschaft gründen oder Gewerkschaftsmitglied werden wollten.Hazem Bader / AFP

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