Europa

2,56

Wiederholte Rechtsverletzungen

Verschlechterung gegenüber dem Vorjahr

In Europa verschlechterte sich das durchschnittliche regionale Rating und liegt nun bei 2,56. In den meisten Ländern, darunter die Niederlande, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien, wurde das Tarifverhandlungsrecht mit Füßen getreten, während Beschäftigte in Polen und der Türkei mit gewerkschaftsfeindlichen Praktiken seitens der Arbeitgeber konfrontiert waren. Im Vereinigten Königreich wurde durch die Einführung eines regressiven Gesetzes das Streikrecht angegriffen.

Unabhängige Gewerkschaftsbewegungen wurden in Belarus und Kasachstan weiterhin massiv bekämpft.

Auf einen Blick

72%

72% der Länder in Europa haben das Streikrecht verletzt.

Unverändert gegenüber 2022
54%

54% der Länder haben das Tarifverhandlungsrecht verletzt.

Unverändert gegenüber 2022
41%

41% der Länder in Europa haben Beschäftigte vom Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften ausgeschlossen.

Unverändert gegenüber 2022
38%

38% der Länder in Europa haben die Zulassung von Gewerkschaften behindert.

Unverändert gegenüber 2022
31%

31% der Länder in Europa haben Beschäftigten den Zugang zur Justiz verweigert.

Gegenüber 32% im Jahr 2022
26%

26% der Länder in Europa haben Beschäftigte verhaftet und inhaftiert.

Gegenüber 33% im Jahr 2022
15%

In 15% der Länder in Europa waren Beschäftigte gewaltsamen Angriffen ausgesetzt.

Gegenüber 26% im Jahr 2022
13%

13% der Länder in Europa haben die Rede- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt.

Gegenüber 15% im Jahr 2022

Arbeitnehmerrechtsverletzungen

Recht auf Gerechtigkeit

31%

31% der Länder in Europa haben Beschäftigten den Zugang zur Justiz verweigert.

Gegenüber 32% im Jahr 2022

Recht auf Gerechtigkeit

Erzhan Elshibayev, ein Gewerkschaftsaktivist in Kasachstan, befindet sich seit über zwei Jahren im Gefängnis. Er war Mitorganisator der Kundgebungen 2019 in der Stadt Zhanaozen, in der ölreichsten Region des Landes, bei denen höhere Löhne für die örtlichen Arbeitskräfte und die Schaffung von Arbeitsplätzen für die Arbeitslose gefordert wurden.

Im Oktober 2019 wurde Elshibayev aufgrund frei erfundener Anschuldigungen zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Angeblich sollte der Aktivist mehrere Jahre zuvor einen Unbekannten angegriffen und ihm körperliche Gewalt zugefügt haben. Die internationale Öffentlichkeit verurteilte diese Anschuldigungen als eine Form der Verfolgung aufgrund seines Aktivismus.

Recht auf bürgerliche Freiheiten

26%

26% der Länder in Europa haben Beschäftigte verhaftet und inhaftiert.

Gegenüber 33% im Jahr 2022

Recht auf bürgerliche Freiheiten

Die Präsidentin des türkischen Ärzteverbandes, Şebnem Korur-Fincancı, wurde am 27. Oktober 2022 gemäß dem türkischen Anti-Terror-Gesetz wegen „Propaganda für eine terroristische Organisation“ und „öffentlicher Verunglimpfung der türkischen Nation, der Republik und ihrer Institutionen“ inhaftiert. Sie hatte sich in den Medien zu den Vorwürfen geäußert, die Türkei habe während ihrer militärischen Operationen im Irak Giftgas eingesetzt, und eine unabhängige Untersuchung gefordert.

Fünf Mitglieder der KESK, die versuchten, an der Gerichtsverhandlung als Beobachter teilzunehmen, wurden festgenommen, später jedoch wieder freigelassen.

Die Generalstaatsanwaltschaft von Ankara hat außerdem die Absetzung von Şebnem Korur-Fincancı von ihren Aufgaben gefordert. Eine Amtsenthebung wäre ein klarer und nicht hinzunehmender Eingriff in die gewerkschaftliche Organisations- und Gestaltungsfreiheit.

Şebnem Korur-Fincancı ist Gerichtsmedizinerin und verfügt über Jahrzehnte an Erfahrung in der Anti-Folter-Arbeit.

Wegen ihres Aktivismus wurde sie bereits mehrfach verfolgt. 2016 wurde sie bereits einmal verhaftet, weil sie eine Kampagne für Pressefreiheit unterstützt hatte.

Recht auf bürgerliche Freiheiten

Die Regierung von Belarus geht seit April 2022 systematisch gegen die unabhängigen Gewerkschaften des Landes vor, indem sie willkürlich die führenden Köpfe und Mitglieder von Gewerkschaften verhaftet und inhaftiert, und sie einschüchtert und schikaniert.

Am 19. April 2022 wurden mehr als zwanzig führende Mitglieder und Aktivist/innen des Belarussischen Kongresses der Demokratischen Gewerkschaften (BKDP) vom Komitee für Staatssicherheit (KGB) verhaftet, darunter der BKDP-Vorsitzende Aliaksandr Yarashuk. Die Repressionen wurden fortgesetzt, als im Mai weitere Personen gezielt verhaftet wurden, darunter Maksim Pazniakou, der amtierende BKDP-Vorsitzende. Er wurde am 17. Mai 2022 von den Sicherheitsbehörden festgenommen.

Andrei Khanevich, Vorsitzender der gewerkschaftlichen Hauptorganisation der BNP in Grodno Azot, wurde im November zu fünf Jahren, Aliaksandr Mishuk, stellvertretender BNP-Vorsitzender und Vorsitzender der betrieblichen Gewerkschaft bei Belaruskali, zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Am 27. Dezember 2022 verkündete das Minsker Stadtgericht ein Urteil gegen die inhaftierten BKDP-Führer: Der Vorsitzende Aliaksandr Yarashuk wurde zu vier Jahren Haft, sein Stellvertreter Sergei Antusevich zu zwei Jahren und die BKDP-Buchhalterin Irina But-Husaim zu 18 Monaten Haft verurteilt.

Verurteilt wurden sie wegen Handlungen, die die öffentliche Ordnung grob verletzen. Yarashuk wurde außerdem für schuldig befunden, zu Maßnahmen aufgerufen zu haben, die der nationalen Sicherheit schaden.

Alle drei Gewerkschafter befanden sich seit dem 19. April 2022 in Haft, wobei Aliaksandr Yarashuk während seiner Inhaftierung keinen Kontakt zu seiner Familie, Kollegen oder Anwälten hatte.

Am 5. Januar 2023 verurteilte das Minsker Stadtgericht die Leiter der Gewerkschaft der Beschäftigten der Radioelektronikindustrie (REP): Hennadz Fiadynich wurde zu neun Jahren Gefängnis unter verschärften Haftbedingungen verurteilt, Vasil Berasneu zu neun Jahren in einem Gefängnis mit mittlerer Sicherheitsstufe und Vatslau Areshka zu acht Jahren Haft in einem regulären Gefängnis.

Alle wurden für schuldig befunden, zu Maßnahmen aufgerufen zu haben, die der nationalen Sicherheit schaden, zu anderem sozialen Hass aufgestachelt zu haben und eine extremistische Gruppierung gegründet oder sich an ihr beteiligt zu haben.

Repressive Gesetze

Repressive Gesetze

Im Vereinigten Königreich hat die Regierung dem Parlament am 10. Januar 2023 als Reaktion auf die Konflikte bei der Bahn und beim Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) ein neues Gesetz vorgelegt, wonach einseitig Mindestdienstleistungen für Beschäftigte der Bahn, der Rettungsdienste und der Feuerwehr vorgeschrieben werden sollen, die auf alle Dienste in den Bereichen Verkehr, Gesundheitswesen, Grenzschutz, Bildung, Stilllegung von Kernkraftwerken und nukleare Endlager sowie Feuerwehr und Rettungsdienste ausgedehnt werden können.

Nach den geplanten neuen Gesetzen verlieren Beschäftigte, die Streikposten überqueren müssen, um eine Mindestversorgung zu gewährleisten, ihren gesetzlichen Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung, wenn sie weiter streiken, und die Gewerkschaften müssen mit Schadensersatzzahlungen rechnen, wenn sie nicht sicherstellen, dass die Arbeitsanweisungen befolgt werden.

Vor der Verabschiedung dieses Gesetzes wurden die Gewerkschaften nicht konsultiert, und es gibt kaum Möglichkeiten, das Gesetz zu überprüfen oder zu beeinflussen, da es im Eiltempo durch das Parlament geschleust wird.

Die Gesetzesvorlage ist ein weiterer Angriff auf das Grundrecht der Beschäftigten im Vereinigten Königreich auf Streik, dem es bereits an verfassungsrechtlichen Garantien mangelt, und erfolgt in einem äußerst gewerkschaftsfeindlichen rechtlichen Umfeld.

Die britischen Gesetze schreiben eine zweiwöchige Vorankündigungsfrist vor, bevor ein Streik begonnen werden kann. Außerdem muss eine übergroße Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder für den Streik stimmen, und zwar sowohl in Bezug auf die Beteiligung an der Abstimmung als auch in Bezug auf die Ja-Stimmen. Darüber hinaus wurde im Juli 2022 eine Gesetzesänderung vorgenommen, die die Einstellung von Leiharbeitskräften zur Unterbrechung von Streiks erlaubt, eine Praxis, die zuvor nicht zulässig war.

In Frankreich hat die Regierung Gewalt angewandt, Beschäftigte willkürlich festgenommen und sogar an den Arbeitsplatz zurückbeordert, um sie daran zu hindern, sich den Massenprotesten gegen das neue Rentengesetz anzuschließen. Das regionale Durchschnittsrating Europas hat sich auf 2,56 verschlechtert, da in den meisten Ländern grundlegende Rechte verletzt wurden.Lionel Bonaventure / AFP

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