Recht auf Gerechtigkeit

People in white masks protesting
52%65%

Der Prozentsatz der Länder, in denen der Zugang zur Justiz verweigert wurde, hat sich von 52% im Jahr 2015 auf 65% im Jahr 2021 erhöht.

Recht auf Gerechtigkeit

Beschränkungen des Zugangs zur Justiz

Der Zugang zur Justiz und ein ordentliches Gerichtsverfahren sind Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Sind sie nicht gegeben, haben die Menschen keine Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen und ihre Rechte geltend zu machen. In 97 von 149 Ländern hatten erwerbstätige Menschen keinen oder nur eingeschränkten Zugang zur Justiz und ein ordentliches Gerichtsverfahren und Gerechtigkeit wurden ihnen verweigert. Führende Gewerkschaftsvertreter*innen wurden vielfach aus fadenscheinigen Gründen inhaftiert und strafrechtlich verfolgt, und von einem ordentlichen Gerichtsverfahren und Unbefangenheit konnte häufig keine Rede sein.

Arbeitnehmerrechtsverletzungen

Nahost/Nordafrika

83%

83% der Länder in Nahost/Nordafrika haben Beschäftigten den Zugang zur Justiz verweigert.

Recht auf Gerechtigkeit

Im Iran wurde der Teheraner Lehrergewerkschafter Esmail Abdi am 17. März 2020 aus dem Gefängnis Evin in Teheran entlassen. Er hatte seit dem 20. Januar 2018 hinter Gittern verbracht und war ursprünglich im Zusammenhang mit seinen Gewerkschaftsaktivitäten zugunsten der Rechte von Lehrkräften verhaftet worden. Trotz seiner Haftentlassung im März musste Abdi am 21. April erneut ins Gefängnis, wo er ohne offizielle Anklageerhebung und ohne Zugang zu seinem Anwalt festgehalten wurde. Diese erneute Verhaftung fand vor dem Hintergrund einer neuen Welle staatlicher Repression gegen prominente Gewerkschaftsaktivisten im Iran statt, nur wenige Tage vor dem 1. Mai.

Afrika

76%

76% der Länder in Afrika haben Beschäftigten den Zugang zur Justiz verweigert.

Recht auf Gerechtigkeit

Am 27. Juli 2020 hat die Regierungspartei Simbabwes, ZANU-PF, eine Pressekonferenz einberufen, bei der ihr Sprecher Patrick Chinamasa den Gewerkschaftsbund Zimbabwe Congress of Trade Unions (ZCTU) als “Trojanisches Pferd des MDC-Bündnisses und terroristische Organisation zusammen mit der Simbabwischen Krisenkoalition”, einer zivilgesellschaftlichen Organisation, bezeichnet hat.

Am selben Tag hat die Polizei der Republik Simbabwe (ZRP) eine Erklärung veröffentlicht, der zufolge sie im Zusammenhang mit einem Streik am 31. Juli 2019 nach ZCTU-Präsident Peter Mutasa sowie Obert Masaraure und Robson Chere, führenden Vertretern der Lehrergewerkschaft Amalgated Rural Teachers Union (ARTUZ), suche. Am Tag darauf begann die Polizei mit der Fahndung nach ZCTU-Mitglied Godfrey Tsenengamu, Peter Mutasa und elf weiteren Mitgliedern politischer Parteien und Gewerkschaften, wobei die Öffentlichkeit Informationen über ihren Aufenthaltsort liefern sollte. Die Gründe für diese Fahndung wurden nicht genannt.

Recht auf Gerechtigkeit

Der Journalist und Gewerkschafter Moudi Moussa und Halidou Mounkaila, ein führender Vertreter der Lehrergewerkschaft SYNACEB, nahmen am 15. März 2020 an einer Demonstration in Niamey, Niger, teil, um eine Untersuchung der gegen das Verteidigungsministerium gerichteten Unterschlagungsvorwürfe zu fordern. Die Kundgebung wurde von den Sicherheitskräften gewaltsam unterbunden. Ein Dutzend Menschen wurden festgenommen, darunter Moussa und Mounkaila, und “der Organisation einer nicht genehmigten Kundgebung, Beteiligung an der Beschädigung öffentlichen Eigentums, Brandstiftung und Mord unter Berücksichtigung mildernder Umstände” beschuldigt. Die inhaftierten Protestierenden wurden zwar am 30. April wieder auf freien Fuß gesetzt, aber Moudi Moussa und Halidou Mounkaila blieben weitere fünf Monate hinter Gittern und wurden erst am 29. September 2020 nach einer längeren internationalen Kampagne freigelassen.

Gesamtamerika

76%

76% der Länder in der gesamtamerikanischen Region haben Beschäftigten den Zugang zur Justiz verweigert.

Recht auf Gerechtigkeit

Moisés Sánchez, der Generalsekretär der Agrargewerkschaft Sindicato de Trabajadores de la Agroindustria y Similares (STAS) auf den Melonenplantagen von Fyffes in Choluteca, Honduras, wurde im Jahr 2019 aufgrund erfundener Anschuldigungen im Zusammenhang mit der “widerrechtlichen Aneignung von Land” angeklagt, nachdem er den Bau einer Zufahrtsstraße durch sein Dorf La Permuta im November 2018 unterstützt hatte, um den Anwohnern den Zugang zu den Farmen und Feldern zu erleichtern. Sánchez musste mit bis zu 30 Jahren Gefängnis rechnen. Das für den 22. Januar 2020 angesetzte Verfahren fand aufgrund nationalen und internationalen Drucks nicht statt. Diese falschen Anschuldigungen waren der jüngste Versuch im Rahmen einer langjährigen Kampagne, die auf die Zerstörung der STAS abzielte.

Sánchez, der im Jahr 2017 einen Machetenangriff überlebt hatte und im selben Jahr von Fyffes entlassen worden war, wurde seit Oktober 2019 erneut überwacht und bedroht. Das Obstunternehmen Fyffes beschäftigt mehr als 6.500 Menschen mit prekären Verträgen auf den Melonenplantagen in Honduras. Das Unternehmen war der STAS von jeher feindlich gesinnt.

Asien/Pazikfik

74%

74 % der Länder in der asiatisch-pazifischen Region haben Beschäftigten den Zugang zur Justiz verweigert.

Recht auf Gerechtigkeit

Am 3. Juli 2020 hat der Präsident der Philippinen, Rodrigo Duterte, das Antiterrorgesetz unterzeichnet, das die bürgerlichen Freiheiten ernsthaft untergräbt und Rechte bei der Arbeit gefährdet, da Arbeitnehmer*innen, aktive Gewerkschafter*innen und andere Menschenrechtsaktivist*innen von der Polizei, vom Militär und von anderen Sicherheitskräften unter Druck gesetzt und größerer Willkür bei Verhaftungen, wahllosen und grundlosen Angriffen, Schikanen, Einschüchterungen und außergerichtlichen Tötungen ausgesetzt werden.

Im Rahmen des Gesetzes kann ein vom Präsidenten eingesetzter “Antiterrorrat” jede als “terroristisch” bezeichnete Person ohne Haftbefehl oder ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren verhaften lassen und bis zu 24 Tage lang festhalten. Das Gesetz gilt auch für mutmaßliche “Verhetzung” "durch Reden, Erklärungen, schriftliche Einlassungen, Logos, Spruchbänder oder andere Mittel, die demselben Zweck dienen", was den Weg für eine noch schärfere Unterdrückung jeglicher Formen von Dissens sowie von bürgerlichem und sozialem Aktivismus ebnet. Wer im Rahmen dieses Gesetzes für schuldig befunden wird, muss mit einer Haftstrafe von bis zu 12 Jahren rechnen.

Recht auf Gerechtigkeit

Am 30. Juni 2020 hat Chinas oberstes Gesetzgebungsorgan einstimmig ein neues Nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong verabschiedet, das praktisch alles kriminalisiert, was als Gefahr für die “nationale Sicherheit" betrachtet wird, und als Höchststrafe lebenslange Haft vorsieht. Ein Jahr später waren Schätzungen zufolge 97 Hongkonger Rechtsaktivist*innen kraft des neuen Gesetzes verhaftet und acht von ihnen strafrechtlich belangt worden, wegen angeblicher Geldwäsche, Betrügereien und Veröffentlichung umstürzlerischer Reden.

Weitere 10.200 Menschen, 40% davon Studierende, wurden zudem im Zusammenhang mit den Protesten im Jahr 2019 gegen das Auslieferungsgesetz festgenommen. Insgesamt wurden fast 2.450 Menschen angeklagt, und in mehr als 940 Fällen ist das Gerichtsverfahren bereits abgeschlossen.

Europa

34%

34% der Länder in Europa haben Beschäftigten den Zugang zur Justiz verweigert.

Recht auf Gerechtigkeit

Am Vormittag des 6. November 2020 führte die Polizei bei mehreren Mitgliedern der Bildungs- und Wissenschaftsgewerkschaft Eğitim-Sen in der mehrheitlich von Kurden bewohnten Provinz Diyarbakır zu Hause eine Durchsuchung durch und nahm 26 Lehrkräfte in Gewahrsam. Die Durchsuchungen waren Teil einer von der Oberstaatsanwaltschaft Diyarbakır aus nicht genannten Gründen eingeleiteten Untersuchung. Die Polizei durchsuchte zudem auch die Schränke von Lehrkräften in ihren Klassenzimmern, während sie zur Sicherheitsdirektion Diyarbakır gebracht wurden.

Recht auf Gerechtigkeit

Am 27. Oktober 2020 wurde Alexander Zhuk, Vertreter der Gewerkschaft BITU bei OJSC Grodno Azot, auf dem Weg zur Arbeit entführt. Bis Mittag war klar, dass er zur Staatsanwaltschaft gebracht worden war, wo er von der Polizei und vom Geheimdienst vernommen wurde. Am Abend desselben Tages wurde Zhuk offiziell verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis im Bezirk Oktyabrsky gebracht, wo er aufgrund mehrerer unklarer mutmaßlicher Ordnungswidrigkeiten eine 30-tägige Haftstrafe verbüßte.

Recht auf Gerechtigkeit

Am 16. Februar 2020 wurde das Büro der belarussischen Gewerkschaft REP, die die Beschäftigten in der Rundfunk- und Elektronikindustrie vertritt, von der Polizei durchsucht. Sämtliche Kommunikationsgeräte und Laptops wurden beschlagnahmt, ebenso wie fast alle wichtigen Unterlagen, auch Buchhaltungsunterlagen, verschiedene Print- und Kampagnenmaterialien und privates Geld. Die Polizei weigerte sich, eine Kopie des Durchsuchungsprotokolls oder ein Inventar der beschlagnahmten Gegenstände auszuhändigen. Am Vormittag desselben Tages führte die Polizei auch eine Durchsuchung bei Vladimir Maley, REP-Anwalt in der Region Brest, und Andrei Komlik-Yamatin, REP-Vorsitzender bei Minsk Motor Plant, zu Hause durch. Er wurde in Gewahrsam genommen, weil er sich geweigert hatte, die Tür zu öffnen, und “wegen Missachtung einer Anordnung oder Aufforderung eines Beamten im Dienst” zu 25 Tagen Administrativhaft verurteilt.

Studierende in Hongkong protestieren gegen das geplante neue Auslieferungsgesetz. Tausende Menschen wurden wegen ihres Widerstandes gegen das Gesetz verhaftet und routinemäßig daran gehindert, zu ihrem Recht zu kommen. Durch ein neues Nationales Sicherheitsgesetz hat sich die Lage für Rechtsaktivist*innen weiter verschlechtert.EyePress via AFP

Dreijahrestrends: Recht auf Gerechtigkeit

Unternehmen, die das Recht auf Gerechtigkeit verletzen